Wir haben einen Gast auf dem Blog. Sie ist eine deutsche Freundin, H.
So langsam wird es enervierend: jeden Tag fährt ein
Propagandafahrzeug durch die Kleinstadt in Carabobo, mit großen
Lautsprechern ausgestattet und spielen immer den gleichen
Chavez-Schlager. Man könnte das leicht ignorieren, aber durch die
Häufigkeit wird es nervig. Wie in Südamerika üblich ist die Lautstärke
nicht gedrosselt, man weiß wo sich der Wagen gerade befindet, so werde
ich regelmäßig und lautstark kreisförmig umfahren.
Das
Kaufen der Wähler hat begonnen. Gestern wurden von zwei Lastwagen
Wassertanks zu 1100 Liter abgeladen und kostenlos an die Bevölkerung
verteilt. Jeder hat zugegriffen, ob er einen funktionierenden Wassertank
hat oder nicht. Benötigt wurde nur der Personalausweis. Bei
uns ist der Wassertank kaputt, es haben sich Risse gebildet und
so verlieren wir Wasser über das Dach. So kam diese Aktion zumindest für
uns zeitlich günstig.
Aber
ändert das ja nichts daran, dass das Hidrocentro, das öffentliche
Wasserwerk, das Wasser für alle Einwohner nicht sicherstellen kann.
Wasser führen die Leitungen vom Hidrocentro zweimal in der Woche oder
gar nicht. Jedes Haus hat einen Tank auf dem Dach oder unter der Garage
in den man das Wasser mit einer privaten Pumpe hochpumpt um es über die
Hausleitungen zu verteilen, es fließt dann über die Schwerkraft. Tief
liegende Wassertanks müssen eine private Wasserpumpe haben. Häufig ist
der Druck aus dem öffentlichen Wassernetz nicht hoch genug um wie in
Deutschland immer Wasser aus dem Hahn zu bekommen.
Der
Stadteil im Zentrum hat Glück, zwei Wasserfälle aus dem Nationalpark
speisen ein Auffangbecken weit oben, bevor der Rest in den Fluss
geleitet wird. Vor ca. 20 Jahren haben sich die Nachbarn zusammengetan
und ein separates Wassernetz mit einer Pumpe aufgebaut. Dieses System
funktioniert gut und wird von einigen Nachbarn in Stand gehalten. Nach
starken Regenfällen löst sich der Sand aus den Bergen und verstopft die
Leitung. Ist die Pumpe kaputt oder ein anderes Problem, wird eine kleine
Versammlung abgehalten und ein bisschen Geld gesammelt und alles
repariert. Dieses Wasser aus den Bergen ist fast ununterbrochen
zugänglich, auch wenn es manchmal durch Sand getrübt ist. In der Regel
lässt man die Trübung in einem Tank absinken und kann es dann benutzen.
Zum Trinken muss es abgekocht oder durch eine Ozondesinfektion geleitet
werden.
Seit
letztem Jahr arbeitet die Nachbarschaftsgemeinschaft nun an der dritten
Ressource. Ein Projekt wurde ins Leben gerufen, Geld beim Bürgermeister
erbeten und ein neuer Brunnen gebohrt. Das Wasser ist aber wieder nur
für den Stadteil im Zentrum. Für diese dritte Ressource soll nun ein
drittes Leitungsnetz verlegt werden. Für diesen zweiten Teil des
Projektes wartet man wieder auf Geld von der Stadtverwaltung. Ich kann
nicht verstehen warum man das Geld von der Stadtverwaltung nicht in ein
Projekt steckt, dass endlich dafür sorgt, dass das Hidrocentrum seine
Aufgabe erfüllt und regelmäßig sauberes Wasser liefert. Inzwischen zahlt
niemand mehr die Wasserrechnung, weil man aus diesen Leitungen kein
Wasser bekommt. Das Wasserwerk hat entsprechend keine Einnahmen und kann
nichts reparieren und hat überhaupt das Interesse verloren.
Und
nun haben sie auch noch Wassertanks mit einem Aufkleber mit Bild vom
Bürgermeister der PSUV geschenkt bekommen. Die Nachbarin versteht nicht
warum ich das System kritisiere, ist doch toll einen Wassertank
geschenkt zu bekommen: „Du immer mit deiner Kritik an den Chavista“.
Im
einem anderen Stadtteil müssen die Leute Wasser kaufen, da das Wasser
vom Hidrocentro in den Leitungen nur ab und zu mal kommt, oder eben gar
nicht. Fährt man vom Zentrum in Richtung dieses Stadtteils kommt man an
einer Straßenkreuzung vorbei, die fast immer Nass ist, das Leck hat der
Straßenbelag ist schon ganz aufgelöst. Man sagte mir, früher hätte es
Wasseruhren gegeben und jeder hätte daran den Wasserverbrauch ablesen
können und dann bezahlt. Nun zahlt kaum noch jemand Wasser, weil es ja
regelmäßig ausbleibt. Ich kann das Wasserwerk verstehen, dass sie nichts
investieren, wenn die Leute nicht zahlen. So fahren eben die
Wasserwagen. An der großen Kreuzung verlieren sie noch Wasser weil der
Deckel oben nicht geschlossen wurde und die Leute müssen eben so zahlen.
Wenn ich mich richtig erinnere sind es pro Tankladung 100BsF. Der
Minimalvertrag beim Hidrocentro für Wasser und Abwasser kostet 15 BsF im
Monat (auch lächerlich, aber wenn man dafür gar nichts bekommt, außer
dass das Abwasser abgeleitet wird). Das Abwasser kommt dann aber auch
regelmäßig bei Starkregen wieder die Gullis hoch und überschwemmt
Straßen und Wege.
Nun
haben sie in einem anderen Stadtteil auch eine
Nachbarschaftsversammlung abgehalten. Ich fragte, ob sie auch
Wassertanks bekommen hätten, "Nein, die waren nur für den Stadtteil im
Zentrum". Unglaublich, wer laut schreit und Beziehungen hat, besitzt zum
Schluss drei Wassersysteme für das Haus, bekommen einen Wassertank ob
sie ihn brauchen oder nicht und andere haben nichts.
Ein
anderer Nachbar ist eigentlich gegen die Chavista, hat aber bei denen
einen Job gefunden und nun heult er mit den Wölfen. Es heißt in der
Werkstatt nicht mehr Kollege sondern jetzt Kamerad. Ich sagte ihm, er
müsse aufpassen, dass wenn es zu Ende geht, dann würde in den gleichen
Sack geschmissen und es würde auch auf ihn eingeschlagen werden. Er
meinte, ohne das hätte er eben auch keinen Job. Kann man auf der Seite
dann auch verstehen.
Opportunismus
und Selbstzensur leben in Venezuela. Wenn die sich alle trauen würden
zu wählen und die Wahlen geheim wären. Selbst Chavista haben mir
gegenüber bezweifelt, dass die Wahl geheim ist, sie meinten sie würden
sich nicht trauen die Opposition zu wählen.
Letzte
Wochen gingen sie rum und haben Flyer für die Wahl verteilt: Die
Erfolge im Wohnungsbau von 2001 bis 2008 wurde darin dargestellt. Was
sie wohl inzwischen gemacht haben? Mit solch alten Kamellen macht die
PSUV Wahlwerbung. Vielleicht waren die Zettel auch noch von der letzten
Wahl übrig geblieben. Maduro hat ja auch das selbe Parteiprogramm
eingereicht wie Chavez.
Genau
einen Tag vor der letzten Wahl wurde in der Kleinstadt ein Teil der
Hauptstraße geteert, die Löcher gab es schon seit 10 Jahren. Die
restlichen Löcher müssen wohl bis zur nächsten Wahl warten oder zur
übernächsten. Vielleicht lohnt es sich aber auch nicht, man kann da ja
schlecht ein Bild vom Bürgermeister aufkleben.