Thursday, 18 February 2010

Im Herzen Venezuelas: Guárico 1




















Der Bundesstaat Guárico liegt ganz im Herzen Venezuelas. Mit einer Fläche von 64.986 km² ist er grösser als die Niederlande oder die Schweiz und fast so groß wie Irland. Er ist Teil von Los Llanos, die breiten Ebenen nördlich des Orinokos. Der Name leitet sich vom Fluß Guariko. Ganz im Norden ist es hügelig, man findet selbst einige Berge da, die ein Teil der Küstenbergkette bilden. Das Gebiet wird aber immer flacher, wenn man gen Süden fährt. Die grössere Städte befinden sich im Norden. Alles in allem leben hier weniger als 800000 Menschen. Landwirtschaft und Viehzucht sind immer noch die Hauptzweige der Wirtschaft hir. Es gibt reiche Eigentümer mit grossen Haciendas und Pächter, aber auch viele Kleinbauer, die meistens arm sind. Das Kataster ist immer noch jetzt, wie überall in Venezuela, ein Witz.

Früher wandernten die Uramerikaner durch diese Region, um vom Amazonasgebiet zur Küste zu gelangen. Als die Europäer mit ihrer Eroberung anfingen, benutzten Kariben und andere Ethnien die Flüsse, um mobiel zu bleiben und ab und zu Streitzüge gegen die ersten europäischen Siedlungen durchzuführen. Ihr Wiederstand brach langsam aber sicher. Am Ende blieben sie in der Elend, wurden zu Pächtern oder wanderten ab.

Alexander von Humboldt reist Anfang 1800 durch diese Region auf seine Reise, um die Verbindung zwischen dem Orinoko und dem Amazonafluß zu untersuchen. Er hat uns eine faszinierende Beshreibung dieser Region hinterlassen. Er erzählt von San Juan de los Morros, von den vielen Flüssen, von den schönen Pferden und vom überwältigenen Horizont.

Man liest: "Der eigenthümlichste Zug der Savanen oder Steppen Südamerikas ist die völlige Abwesenheit aller Erhöhungen, die vollkommen wagerechte Lage des ganzen Bodens. Die spanischen Eroberer, die zuerst von Coro her an die Ufer des Apure vordrangen, haben sie daher auch weder Wüsten, noch Savanen, noch Prairien genannt, sondern Ebenen, los Llanos".

















Zu Humboldts Zeiten wohnen hier einige sehr große Landbesitzer, Sklaven und vor allem sehr arme Pächter, sowie viele geflüchteten Sklaven oder marodierenden Räuber.

Der Deutscher findet, dass diese Region nicht sicher ist. Damals ist das eher die Ausnahme: "Die Llanos waren damals durch Raubgesindel unsicher, weßhalb sich mehrere Reisende an uns anschlossen, so daß wir eine Art Caravane bildeten."

Humboldt erzählt über seine Begegnung in dem damaligen Dorf Calabozo mit einem venezolanischen Genies, der bald in Vergessenheit geraten wird:

"Wir fanden in Calabozo, mitten in den Llanos, eine Elektrisirmaschine mit großen Scheiben, Elektrophoren, Batterien, Elektrometern, kurz einen Apparat, fast so vollständig, als unsere Physiker in Europa sie besitzen. Und all dies war nicht in den Vereinigten Staaten gekauft, es war das Werk eines Mannes, der nie ein Instrument gesehen, der Niemanden zu Rathe ziehen konnte, der die elektrischen Erscheinungen nur aus der Schrift des Sigaud de la Fond und aus Franklins Denkwürdigkeiten kannte. Carlos del Pozo – so heißt der achtungswürdige, sinnreiche Mann – hatte zuerst aus großen Glasgefäßen, an denen er die Hälse abschnitt, Cylindermaschinen gebaut. Erst seit einigen Jahren hatte er sich aus Philadelphia zwei Glasplatten verschafft, um eine Scheibenmaschine bauen und somit bedeutendere elektrische Wirkungen hervorbringen zu können. Man kann sich vorstellen, mit welchen Schwierigkeiten Pozo zu kämpfen hatte, seit die ersten Schriften über Elektricität ihm in die Hände gefallen waren, und er den kühnen Entschluß faßte, Alles, was er in den Büchern beschrieben fand, mit Kopf und Hand nachzumachen und herzustellen. Bisher hatte er sich bei seinen Experimenten nur am Erstaunen und der Bewunderung von ganz rohen Menschen ergötzt, die nie über die Wüste der Llanos hinausgekommen waren. Unser Aufenthalt in Calabozo verschaffte ihm einen ganz neuen Genuß. Er mußte natürlich Werth auf das Urtheil zweier Reisenden legen, die seine Apparate mit den europäischen vergleichen konnten. Ich hatte verschiedene Elektrometer bei mir, mit Stroh, mit Korkkügelchen, mit Goldplättchen, auch eine kleine Leidner Flasche, die nach der Methode von Ingenhouss durch Reibung geladen wurde und mir zu physiologischen Versuchen diente. Pozo war außer sich vor Freude, als er zum erstenmal Instrumente sah, die er nicht selbst verfertigt, und die den seinigen nachgemacht schienen. Wir zeigten ihm auch die Wirkungen des Contakts heterogener Metalle auf die Nerven des Frosches. Die Namen Galvani und Volta waren in diesen weiten Einöden noch nicht gehört worden."












Im Jahr1800 gibt es immer noch Indianer in dieser Region. Humboldt beschreibt wie sie ihm und Bonpland dabei helfen, Zitteraale zu fangen.

Sie werden sich nach und nach mit anderen Gruppen vermischen, wie fast überall in Venezuela.

Er beschreibt auch oft über die Elend, die er da findet:

"Gegen 4 Uhr Abends fanden wir in der Savane ein junges indianisches Mädchen. Sie lag auf dem Rücken, war ganz nackt und schien nicht über 12–13 Jahre alt. Sie war von Ermüdung und Durst erschöpft, Augen, Nase, Mund voll Staub, der Athem röchelnd; sie konnte uns keine Antwort geben. Neben ihr lag ein umgeworfener Krug, halb voll Sand. Zum Glück hatten wir ein Maulthier bei uns, das Wasser trug. Wir brachten das Mädchen zu sich, indem wir ihr das Gesicht wuschen und ihr einige Tropfen Wein aufdrangen. Sie war Anfangs erschrocken über die vielen Leute um sie her, aber sie beruhigte sich nach und nach und sprach mit unsern Führern. Sie meinte, dem Stand der Sonne nach müsse sie mehrere Stunden betäubt dagelegen haben."






Capybara










210 Jahren sind vorbeigegangen. Die Bevölkerung ist nun viel grösser, die Region lässt sich in einige Stunden und nicht Tage durchkreuzen und die Arm ist seit vielen Jahrzehnten nicht so stark wie damals. Wir werden demnächst sehen, was sich verändert hat und was immer noch so bleibt wie damals.


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